Kölner Domkran

Das Verschwinden eines Wahrzeichens


Das Verschwinden eines Kölner Wahrzeichens

Der Abbruch des Kölner Domkrans im Februar/März 1868

Vor 150 Jahren, am 29. Februar 1868, begannen die Abbrucharbeiten am mittelalterlichen Baukran auf dem unvollendeten Südturm des Kölner Domes. Über Jahrhunderte hatte er als einer der höchsten Punkte das Kölner Stadtbild geprägt und galt geradezu als das weithin bekannte Wahrzeichen der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rheinmetropole. Bereits wenige Wochen nachdem die Abbrucharbeiten begonnen hatten, Ende März 1868, war der Kran verschwunden und es konnte mit der Fertigstellung der beiden Domtürme fortgefahren werden.


1880 war der Kölner Dom nach 632-jähriger Bauzeit vollendet.

Der Kran war eine der größten Baumaschinen des Mittelalters. Wahrscheinlich war er bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert entstanden, bald nachdem um 1360 die Bauarbeiten am aufgehenden Mauerwerk des Südturmes begonnen hatten. Mit dem in die Höhe wachsenden Domturm dürfte der Kran nach oben versetzt worden sein, bis der Turmbau um 1410 auf einer Höhe von etwa 56 bis 58 Metern eingestellt wurde; das entspricht einem guten Drittel der heutigen Turmhöhe (157 m).



Ansicht des Domes mit Domkran von Westen, um 1862, J. H. & Th. Schönscheidt © Dombauhütte

An diesem Standort ist der Kran, der mit seiner Spitze bis etwa auf eine Höhe von 70 m hinaufragte, bereits auf den ältesten bekannten Darstellungen der Stadt Köln aus der Mitte des 15. Jahrhunderts zu sehen. Die Basis des Kranes bildete ein quadratischer, diagonal zum Turmgrundriss versetzter Holzrahmen, der sich aus vier etwa 9,70 m langen Eichenholzbalken zusammensetzte. Darüber erhob sich das zweigeschossige Krangerüst, dass sich

wie ein steiler Pyramidenstumpf nach oben verjüngte. Im unteren Raum dürften sich ursprünglich zwei Laufräder als Antrieb befunden haben. Ihr Aussehen ist nicht bekannt, da sie bereits im 19. Jahrhundert nicht mehr vorhanden waren.


Mittelpunkt des Kranes war die zentrale Drehachse, der sogenannte Kaiserstil, ein sich nach unten verjüngender, senkrecht stehender Eichenholzbalken von über 15 m Länge.

Sein unteres, schmales Ende steckte in einer Eisenmanschette, die in einem kuppelförmigen Dorn endete. Diese ist als einziges Element des Domkranes bis heute erhalten. Der Dorn war im Unterbau des Kranes in einer Gelenkpfanne verankert, so dass der Kaiserstil in der Lage war, sich 360° um seine eigene Achse

zu drehen. Er überragte den Kranunterbau um etwa 5,40 m und war in seinen oberen Bereichen durch eine sich mitdrehende Haube vor Witterung geschützt. Hier setzte

der aus drei Balken gebildete Ausleger an. Er war mehrfach erneuert worden und dürfte ursprünglich länger gewesen sein als der jüngste, 1842 errichtete Ausleger, der etwa 13,15 m lang war.


Da der Ausleger starr am Kaiserstil befestigt war mussten die Werkstücke, nachdem sie nach oben gezogen worden waren, über

zusätzliche Zugseile an die Baustelle herangezogen werden. Der Kran war somit gut in der Lage alle Bereiche des Turmes mit Werkstücken zu beliefern. Nach der gänzlichen Einstellung der Bautätigkeit um 1520 blieb der Kran erhalten und wurde in den folgenden Jahrhunderten wiederholt in Stand gesetzt. Den

gewaltigen Bautorso überragend, wurde er zudem allmählich Sinnbild für die Hoffnung, dass eines Tages der Bau des Domes wiederaufgenommen werde.



„Ganz Köln kam in Bewegung, als vor einigen Jahren, bei der nur zu notwendig gewordenen Reparatur des edlen Baues, der seit Jahrhunderten oben stehende Kranen von dem einzigen halbvollendeten Turme heruntergenommen wurde, und das Volk ruhte nicht eher, bis es ihn wieder an seiner alten Stelle sah, der er doch keineswegs zur besonderen Zierde gereicht.“

Johanna Schopenhauer, Ausflug an den Niederrhein und nach Belgien im Jahr 1828, Leipzig 1831

„But I now leave my cetological system standing thus unfinished, even as the great

Cathedral of Cologne was left, with the crane still standing upon the top of the uncompleted

tower. For small erections may be finished by their first architects; grand ones, true ones,

ever leave the copestone to posterity.“

Herman Melville, Moby Dick 1851

Seh‘ ich immer noch erhoben

Auf dem Dach den alten Krahn,

Scheint mir nur das Werk verschoben,

Bis die rechten Künstler nah‘n

Max von Schenkendorf, um 1814

58. Baubericht von 26. Mai 1868, Kölner Domblatt Nr. 273, 30. Juni 1868.


„Nachdem die mit Schiefer gedeckte äußere Brettverkleidung des Krangehäuses abgetragen war, zeigten sich die aus dem 15. Jahrhundert herrührenden Holztheile so schadhaft, dass vorab eine Abstützung der ganzen Construktion nothwendig erschien, bevor mit dem Ablassen der Verbandstücke begonnen werden konnte.


Auch die im Jahre 1825 bei einer durchgreifenden Restauration des Domkrahnens hinzugefügten tannenen Unterzüge und Streben hatten im Laufe der Zeit durch mangelhafte Unterhaltung der Schieferbedachung des Krahnengehäuses sehr gelitten, und wäre eine längere Unterhaltung des Domkrahnens nur durch einen totalen Umbau zu erreichen gewesen.


Am 13. März c. wurde der im Jahre 1842 neu gefertigte Ausleger von 43 Fuß Länge abgehoben und erfolgte demnächst das Ausheben der Dreh-Axe aus dem Pfannenlager und die Niederlegung der Sprengwerke mit größter Vorsicht, da die bis zu 3 Fuß starken und 50 Fuß langen Stämme von Eichenholz durch Wurmfraß und Fäulnis derart destruiert waren, dass sie beim Niederlegen durch die eigene Last durchbrachen. Diese bei der großen Höhe, dem schlechten Holzmaterial und dem herrschenden Winde so gefahrvolle Arbeit des Abtragens des Domkrahnens ist unter

der Leitung des Dom-Zimmermeisters von Amelen von den Dom Zimmerleuten ohne jeden Unfall bewirkt worden …“


Historische Stimmen zum Domkran (Auswahl)

© Dombauhütte

Eindringlich bringen dies die unten zitierten Verse des Dichters Max von Schenkendorf zum Ausdruck. In ähnlichem Sinne bemüht auch der amerikanische Schriftsteller Herman Melville in seinem weltberühmten Roman Moby Dick den Kölner Domkran als Symbol dafür, dass kleine Werke von ihrem ersten Architekten vollendet werden können, die großen, wahrhaftigen es aber stets der Nachwelt überließen, den Schlussstein zu setzen.


Wie sehr die Kölner ihrem Domkran verbunden waren, zeigte sich im Jahr 1816, als auf Veranlassung der preußischen Regierung der morsche Kran-Ausleger, auch Schnabel genannt, wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Dank des vehementen

Protestes der Kölner Bevölkerung und eines testamentarischen Legates des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt Reiner Josef Klespe wurde 1819 ein neuer Schnabel am Kran angebracht. Zur Grundsteinlegung für die Domvollendung am 4. September 1842 nutzte man den Domkran symbolisch ein letztes Mal, um den ersten Stein zum Fertigbau des Domes auf den Südturm zu ziehen. Hierfür musste der Ausleger ein weiteres Mal erneuert werden. Geschmückt war er mit Fahnen und an seiner Spitze prangte ein gewaltiger, hölzerner Adler als Hoheitszeichen des

preußischen Königs. Sechs Jahre später, im Revolutionsjahr 1848 wurde auf dem Kran die schwarz-rot-goldene Fahne gehisst.

©Dombauhütte

Ausführlich beschreibt Dombaumeister Richard Voigtel in seinem 58. Baubericht vom 26. Mai 1868 (Kölner Domblatt Nr. 273, 30. Juni 1868) die großen Schwierigkeiten beim Abbruch des Kranes. Nachdem das mit Schiefer gedeckte Dach des

Kranhauses abgedeckt worden war zeigte sich, dass sowohl die mittelalterliche Konstruktion als auch die im frühen 19. Jahrhundert erneuerten Bereiche des Kranes wegen des schadhaften Daches stark vermorscht waren. Um Unfälle zu vermeiden, entschied man sich daher, die gesamte Konstruktion vor ihrem Abbau zunächst abzustützen.


Am 13. März erfolgte der aufwändige Abbau des Auslegers und anschließend der des zentralen Kaiserstils. Bis Ende März war der Abbruch des

Kranes abgeschlossen. Teile des Kranholzes wurden zur Herstellung von Möbelstücken, Kreuzen, Kranmodellen und anderen Erinnerungsstücken an das ehemalige Kölner

Wahrzeichen weiterverarbeitet. Hierfür wurden offenbar aber vor allem Hölzer verwendet, die im 19. Jahrhundert erneuert worden waren, da die Originalbalken zu morsch gewesen sein dürften.

Einige Objekte haben sich bis heute erhalten.


Ein weiterer 150-jähriger Jahrestag ist ebenfalls mit dem 29. Februar verbunden. Am 29. Februar 1868 starb König Ludwig I. von Bayern in Nizza. König Ludwig hatte zu

Lebzeiten regen Anteil an der Vollendung des Kölner Domes. Vor allem stiftete er dem Dom den Zyklus der Bayernfenster im südlichen Seitenschiff des Domes.

Text: Matthias Deml